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AutorenbildAlissia Quaintance

Warum der FC Chelsea auf zyklusbasiertes Training setzt und was Top-Leaderinnen daraus lernen können


Der Frauenfußball Club FC Chelsea passt das Training auf den individuellen Menstruationszyklus der Spielerinnen an – und könnte so zum Vorbild für Unternehmen werden, die Kreativität und Produktivität ihrer Mitarbeiterinnen nachhaltig neu gestalten möchten.



Eine Einladung für ein radikales Umdenken zum Thema Weiblichkeit in Unternehmen.

Im Frauenfußball werden die Sportlerinnen in normalen Phasen kaum anders trainiert als kleine Männer. Trainerin Emma Hayes geht seit 2020 einen neuen Weg. Der Frauenfußball Club, FC Chelsea begann, das Training und die Ernährung seiner Athletinnen an die individuellen Phasen ihres Menstruationszykluses anzupassen, um die Leistung der Mannschaft zu steigern und Verletzungen zu vermeiden.


Laut Trainerin Hayes hätten Frauen jeden Monat eine komplett andere Körpererfahrung als Männer. Seitdem ermutigt der Club die Spielerinnen, mit vorheriger Zustimmung, eine App herunterzuladen, die es den Leistungssportlerinnen erlaubt ihren Zyklus zu verfolgen und das Training, Regenerationszeiten und die Ernährung an die vier maßgeblichen Zyklusphasen wie Menstruation, Vor-Ovulation, die Zeit zwischen Ovulation und der Prämenstrualphase anzupassen. Diese Umstellung wurde laut Hayes eingeführt, um das Bewusstsein der Frauen für ihren Zyklus zu kultivieren.


Der FC Chelsey sieht sich selbst als Pionier in der aktiven Arbeit mit dem Zyklus der Leistungssportlerinnen und versucht auch andere Vereine zu inspirieren, ein altes Tabu im Leistungssport zu brechen. Denn hier gilt eine ausbleibende Menstruation eher als vermeintliche Auszeichnung, da die Athletin dann “besonders hart” und somit “gut” trainiert hat. Hayes möchte stattdessen eine gesündere Variante der Trainingsplangestaltung für Frauen ermöglichen - eine Variante, die nicht nur gesünder, sondern auch an die weibliche Realität angelehnt ist.


Was hier so sinnvoll und zukunftsweisend erscheint, ist leider immer noch ein großes Tabu in der Arbeitswelt für Frauen in “normalen” Berufen und mehr noch im Top-Management.


Menstruationsbeschwerden werden oft nur im stillen Kämmerlein ertragen oder der Zyklus hormonell unterdrückt. Viele Frauen können ihren Arbeitstag während ihrer Menstruation nur mit starken Schmerztabletten ertragen. Wenn Frau sich doch krankmeldet, dann meist mit einem anderen Vorwand. Laut Statistik leiden rund 80% von Frauen unter dem prämenstruellen Syndrom (PMS), d.h. unter mittel- bis starken Schmerzen vor und während ihrer Monatsblutung.


Mir stellt sich somit die Frage, wo die Frauenstimmen sind, die neben Diversität, Equal-Pay und anderen Female Empowerment Hymnen auch in der Arbeitswelt ein Umdenken fordern?


Nun, dieser Dialog ist komplex, denn aus Erfahrung weiß ich, dass wir hier - besonders für uns Frauen selbst - ans sogenannte Eingemachte gehen, die Angst und vor allem Scham eine Deadline oder einen wichtigen Termin aufgrund von Menstruationsbeschwerden abzusagen, ist auch in Zeiten von New Work immer noch ein absolutes No-Go.



Zyklusfreundliche Kultur


Sind somit normale und gesunde weibliche Zyklen wie Menstruation, Schwangerschaft, Geburt, Elternzeit und Menopause doch der Beweis dafür, dass wir einfach nicht so leistungsfähig sind wie ein Mann? Doch kein echter Female Shift?


Um das Gegenteil zu beweisen pushen wir uns weiter, bis es manchmal nicht mehr geht, ertragen toxische Systeme, kreieren sie vielleicht für andere - Zyklus für Zyklus für Zyklus. Ein Sommer, in dem wir mit Höchstleistung glänzen wollen, folgt dem anderen, und exponentiell geht es immer weiter - steil nach oben.


Jahrzehnte lang haben Frauen dafür gekämpft, als gleich angesehen zu werden, daher ist die Realisierung, dass auch hier eine differenzierte Sicht auf die Dinge notwendig ist für viele schwer.


Jetzt ist eine perfekte Zeit um anzuhalten und komplett neue Wege zu gehen, denn die Realität der “Ich kann alles haben” Narrative - sowohl für Frauen als auch für Männer - hat uns im letzten Corona Jahr genau aufgezeigt, wo unsere Grenzen liegen und, vor allem, dass es Grenzen gibt. Der Schuh drückt, und jetzt nicht mehr nur für die sensiblen, Aussteiger und die Hippie-Eltern unter uns.


Was wäre eine alternative Vision? Wir Frauen, die uns offen über ihren aktuellen Zyklus austauschen, und vielleicht auch unseren Kalender und wichtige Termine und Deadlines danach planen? Vielleicht bekommen wir als Frauen Home Office Tage oder gar frei während der 1-2 starken Tagen ihrer Menstruation, um dann in den anderen Phasen leistungsfähiger zu sein? Schaffen wir vielleicht eine Kultur in der es völlig okay ist darüber zu sprechen, dass man heute nicht so auf der Höhe ist - für Männer und für Frauen? Kennen wir den Zyklus unserer Chefin und ist es auch okay für mich ruhiger zu machen, wenn ich meine Tage habe?


Brauchen wir in Zukunft Unternehmen, die nicht nur auf Effizienz, Arbeitsschutz und Output, sondern auch für das Wohlbefinden und die körperliche und mentale Gesundheit der Mitarbeiter Verantwortung übernehmen?


Alles Konzepte, die sich wie von einem anderen Stern anhören, oder?


Dennoch, wer nun genauer hinschaut wird sehen, dass beispielsweise in Großbritannien, dem Ursprungsland der großen Bewegung “Wild Power” von Alexandra Pope und Sjanie Hugo Wurlitzer, viel passiert. Die beiden Psychologinnen verfolgen in ihrer Red School die These, dass der Ursprung der weiblichen Selbstbestimmung in der Anerkennung eines gesunden Zyklus ist. Viele britische Unternehmen passen nun ihre Glaubenssätze an eine zyklusfreundlichere Kultur rund um den weiblichen Zyklus an. Auch in Deutschland gibt es diese Bewegung, wir sehen Zykluscoaches, die den Frauen beibringen mit mehr Selbstbewusstsein und Achtsamkeit mit ihrem Zyklus umzugehen und bei jungen Generationen ist das Thema schon lange kein Tabu mehr und Unternehmen, die diesen Trend nun verpassen, verbauen sich auf lange Sicht einen wertvollen Zugang an Talenten.



Ein natürlicher weiblicher Zyklus ist keine Nische, kein Mythos, er betrifft jede von uns.


Da jede wichtige Transformationsreise bei uns beginnt, empfehle ich jeder Frau folgende drei Einsteigerschritte für einen bewussteren Umgang mit dem eigenen Zyklus. Es muss nicht gleich eine große Welle der roten Revolution in Unternehmen Einzug finden, aber es würde uns gut tun die ersten Schritte zu machen. Wir sollten als Role-Models hier wie immer bei uns anfangen.


Hier meine drei wichtigsten Tipps, die wir von den Top-Athletinnen aus Chelsea übernehmen können:


Schritt 1.) Den eigenen Zyklus beobachten:

Für die aktive Arbeit mit dem Zyklus ist es wichtig seine eigenen Zyklusmuster zu kennen. Obwohl wir viel über die typischen Hormonkurven wissen, ist jede Frau anders. Ich empfehle ein Erfassen der Stimmung, des Wohlbefindens und der Schmerzen oder Migränetage in einem Notizbuch oder einer App wie bspw. Clue. Hier könnt Ihr Euch ein kostenloses Zyklustracking Chart ausdrucken: Download Empfehlenswert ist ein Tracking über drei Monate, so könnt ihr bereits Muster in Eurem eigenen Körperempfinden erkennen.


Schritt 2.) Delegieren lernen und um Hilfe bitten:

Wenn Ihr durch das Tracking erkennt oder bereits wisst an welchen Tagen Ihr nicht so produktiv seid, fangt an Euch eine Routine zu schaffen, in der Ihr Euch Unterstützung von Eurem Team holt und Euren Kalender bewusst leicht haltet. Fangt an Eure Arbeitsbelastung, wichtige Meetings und Deadlines eher um den Zeitpunkt der Ovulation zu legen und nutzt die Regenerationszeit, wenn Euer Körper es am meisten braucht.


Schritt 3.) Kreativphasen und Lösung schwieriger Probleme aus der Ruhe entstehen lassen:

Das ist eigentlich mein Lieblingstipp und der größte Bonus einer gesunden Zyklusroutine. Durch das Zurücknehmen in den Zyklusphasen, die Rückzug in die Ruhe erfordern, entstehen bei mir die besten Ideen und Lösungen aus schwierigen Situationen - privat und auch beruflich. Die Menstruationsblutung ist somit die beste Zeit in sich zu gehen, zu meditieren und dann mit den nächsten Schritten und Ideen in den neuen Zyklus zu starten.

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